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- Besuch im Gold Wing-Werk -

Heimat der stolzen Maschine

 In Marysville, im US-Bundesstaat Ohio, baut Honda den amerikanischen Traum auf zwei Rädern – die Gold Wing.

 Als sich am 10. Oktober 2000 hunderte Angestellte von Honda of America versammelten, war der große Moment gekommen: Die erste GL 1800 sollte durch die Werkstore rollen. Die Serienproduktion der GL 1800 begann, hier in Marysville im US-Bundesstaat Ohio.

Dass die Gold Wing ein durch und durch amerikanisches Motorrad ist, steht für Honda und die Mitarbeiter der Motorradfabrik außer Frage. Der Gedanke, die sechszylindrige Maschine könne als japanische Maschine gelten, nur weil Honda ein japanischer Konzern ist, wirkt in der typisch amerikanischen Fabrik abwegig. Das Land der aufgehenden Sonne ist weit weg, und vor den Werkstoren beginnen die Highways Amerikas. Sie führen hinein ins Land der stets zitierten unbegrenzten Möglichkeiten.

Außer der Gold Wing baut Honda noch andere Fahrzeuge und Motoren in Marysville: Hier läuft auch der VTX 1800 V-Twin-Cruiser vom Band, der größte Serien-V-Zweizylinder der Welt und der erste Zweizylinder-V, den Honda in Amerika produziert. Dazu kommen die drei Shadow-Modelle Aero 1100, Spirtit 1100 und Sabre 1100, die Valkyrie 1500 sowie die Valkyrie Interstate. Außerdem entstehen in der Motorradfabrik die kleinen, vierrädrigen Arbeits- und Spaßvehikel FourTrax 350 Rancher – von diesen Allrad-Krabblern ist am 12. Oktober 2000 übrigens das einmillionste Exemplar vom Band gelaufen.

Insgesamt besitzt das Werk in Marysville eine jährliche Kapazität von 150.000 Motorrädern und FourTrax sowie 75.000 Motoren. Hier bauen 700 Mitarbeiter Rahmen und Maschinen, spritzen Kunststoffteile, lackieren, testen, überprüfen die Qualität, und sie wickeln den gesamten Versand ab. Immerhin laufen allein 33.000 Motorräder und Allrad-Fahrzeuge in den Export für 49 Länder.

In der Produktion der GL 1800 hat Honda gegenüber dem Vorläufermodell GL 1500/6 einiges umorganisiert. Nun laufen die GL 1800 und die VTX 1800 von einem Band – und sogar dort, wo die Produktion der ATV läuft, entstehen Motorräder. Parallel dazu baut Honda in Marysville auch die Motoren für die Bikes. Zuvor lieferte das Werk im 80 Kilometer entfernten Anna, Ohio, die Triebwerke für Gold Wing und Valkyrie.

Mit der GL 1800 ist das Novum eingeführt worden, die Aluminiumrahmen selbst zu fertigen – das erste Mal, dass Honda einen Aluminiumrahmen für die Serienproduktion in der Motorradfabrik in Eigenregie herstellt. Dort, wo sich das Leichtmetall der Form des Motorradskeletts beugen muss, vollführen maschinelle Hände solche Bewegungen, die ihnen Menschen einst antrainiert haben.

Die Mitarbeiter kennen ihre Handgriffe. So wächst von Takt zu Takt das Motorrad, Stück für Stück verschwindet der nackte Aluminiumrahmen, finden Kabel ihren Weg, greifen Anbauteile und Halterungen ineinander. Vorgefertigte Teile wie Topcase und Seitenkoffer warten darauf, montiert zu werden. Durch die parallel laufende Teilemontage kann Honda das Fließband im selben Tempo laufen lassen, obwohl die VTX 1800 aus nur halb so vielen Teilen wie die GL 1800 besteht. Je 20 Einheiten laufen nacheinander vom Band. 90 Gold Wing sind es am Tag – diese Vollauslastung erreichte Honda schon drei Wochen nach Start der Serie im Oktober 2000.

Chrom indes blitzt ein paar Schritte weiter auf. Dort lagern verbeulte Metallkisten, aus denen die abgeflachten Endrohre der mit Wellpappe ummantelten kerzengeraden Auspuffanlagen hervorschauen. Dann zieht sie ein drahtiger Arbeiter mit sicherer Hand aus der Pappumhüllung wie ein Revolverheld das Schießeisen aus dem Holster. Ein paar Mal schraubt er hier, prüft mit Kennerblick da, und schon ist die Gold Wing um ein weiteres Bauteil reicher.

In der Endkontrolle wird das komplett fertige Motorrad durchgecheckt. Sämtliche Funktionen überprüft der letzte Mann am Band nach einem fest stehenden Schema: Er dreht die Gold Wing auf dem Rollenprüfstand hoch bis in den fünften Gang, bremst sie wieder runter, testet Federung, Blinker, Hupe. Alles okay? Daumen hoch, alles okay.

Sollte dabei ein defektes Bauteil entdeckt werden, beginnt eine akribische Fehlersuche: Woher stammt das Teil? Welchen Weg hat es in der Produktion zurückgelegt? Sind andere Teile der Serie ebenfalls beschädigt? Honda will Fehler schon im Werk ausmerzen, um Kosten zu sparen – und die Kunden zufrieden zu stellen.

Als im September 1979 die Firma Honda of America Mfg., Inc. (HAM) gegründet wurde, war die Fabrik im Mittleren Westen die erste ausländische Motorradmarke in Nordamerika und die erste Produktionsstätte von Honda in den USA. Damit nahm Honda den Kampf um US-Marktanteile auf. Dass Honda den Sprung in die Neue Welt mit einer Motorrad- und nicht mit einer Automobilfabrik riskierte, hatte zwei Gründe. Erstens lagen die Investitionskosten für eine Zweiradfertigung nicht so hoch wie für eine Autofabrik. Zweitens lotete Honda den amerikanischen Markt mit viel versprechenden Motorrad-Modellen aus und etablierte sich.

Mit 64 Mitarbeitern ging HAM an den Start. Gut 23 Jahre nach dem Start von HAM, anno 2002, beschäftigt die amerikanische Tochter des japanischen Fahrzeug-Giganten 13.000 Mitarbeiter, den weitaus größten Teil allerdings in der Automobilfertigung. Die Marysville Auto Plant, die Autofabrik, ist seit April 1982 in unmittelbarer Nachbarschaft der Honda Motorcycle Plant, der Motorradfabrik, angesiedelt.

Als 500 000. Fahrzeug lief in Ohio am 10. Mai 1991 eine Gold Wing GL 1500/6 Aspencade mit der Fahrgestell-Nummer 1HFSC2203NA400540 vom Band. Auf diese Jubiläums-Maschine sind die 700 Mitarbeiter, die im Motorradbereich beschäftigt sind, genau so stolz wie auf die neue Maschine auf dem Podest: die erste GL 1800.

Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von staehelin kreative produktion (copyright 2002 Faszination Goldwing) durfte ich unter Quellenangabe  auszugsweise vorhandene Texte und Bilder in meine Website übernehmen. Das Urheberrecht des Gesamtwerkes bzw. seiner Teile bleiben davon unberührt.